Schreiben des Schweizerischen Seniorenrates an die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften SAMW
Covid-19-Pandemie: Triage von intensivmedizinischen Behandlungen bei Ressourcenknappheit – Ergänzungen der SAMV-Richtlinien
Sehr geehrte Damen und Herren
Aufgrund der Covid-19-Pandemie wurden die Richtlinien der SAMV ergänzt und konkretisiert. Der SSR begrüsst grundsätzlich diese Ergänzung in Situationen der Ressourcenknappheit bei der intensivmedizinischen Betreuung. Unter Punkt 3 der Richtlinien wird erwähnt, dass das Alter per se kein Kriterium bei Zuteilung von Intensivpflegeplätzen ist. Gleichzeitig wird aber festgestellt, dass das Alter indirekt ein Risikofaktor für die Sterblichkeit darstellt und daher bei der Berücksichtigung von Intensivpflegeplätzen bei Knappheit berücksichtigt werden müsste. Die heutige Sterblichkeitsstatistik bei Covid-19 gibt dieser Aussage insofern Recht als der Prozentsatz der über 85-jährigen am höchsten ist. Der SSR, der die Interessen der Seniorinnen und Senioren in der Schweiz vertritt, ist aber der Meinung, dass das Alter bei der Zuteilung der Intensivpflegeplätzen bei Ressourcenknappheit überhaupt keine Rolle spielen darf. Es gibt Hochbetagte über 80 Jahre alt, die gesünder und aktiver sind als 50ig – jährige oder Jüngere. Alter darf in keinem Fall das ausschlaggebende Kriterium sein. Entscheidend ist der Wille der Patientin, des Patienten, die sie oder er mit einer entsprechenden Patientenverfügung kundtut. Aus diesem Grund motiviert der SSR seit Jahren mit Informationen und Weiterbildungen in den einzelnen Seniorenorganisationen die Menschen jeden Alters zur Erstellung einer Patientenverfügung. Die Erstellung ist aber ein Prozess und darf nun nicht im Schnellverfahren und unter Druck in der Covid-19-Pandemie erstellt werden.
In Stufe B: „keine verfügbaren Intensivpflegebetten“, wird das Alter neben den andern nach-vollziehbaren medizinischen Kriterien als Einzelkriterium aufgeführt. Wer älter als 85 Jahre ist, hat kein Anrecht auf einen Intensivpflegeplatz, obwohl er keine anderen medizinischen Defizite aufweist. Der SSR lehnt diese Diskriminierung ab und erachtet diesen Entscheid der SAMV als verfassungswidrig. Diese Diskriminierung der über 85-jährigen Menschen widerspricht den Menschenrechten und ist auch aus moralischer Sicht höchst fragwürdig. Ein Ausschluss von medizinischen Leistungen aufgrund des Alters entspricht in keiner Weise den Grundsätzen des schweizerischen Gesundheitswesens. Diese Regelung könnte der erste Schritt zu einer Rationierung der Gesundheitsleistungen für Seniorinnen und Senioren in der Schweiz sein und nach der Covid-19-Pandemie bei anderen Spitalleistungen angewendet werden. Der SSR erwartet von der SAMV, dass dieser Entscheid in den Richtlinien zur Covid-19-Pandemie korrigiert wird.
Mit freundlichen Grüssen
Schweizerischer Seniorenrat Conseil Suisse des Aînés
Die Copräsidentin Der Copräsident
Sig. Bea Heim Sig. Roland Grunder
Schweizerischer Seniorenrat – Conseil Suisse des Aînés – Consiglio Svizzero degli Anziani
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