Vernehmlassung über die Änderung des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung zur Anerkennung des betreuten Wohnens für Bezügerinnen und Bezüger von EL zur AHV

Wir begrüssen es sehr, dass der Bundesrat – gestützt auf den BASS-Schlussbericht (2022) und laut seinem eigenen Bericht – den Handlungsbedarf bei der Betreuung im Alter anerkennt und eine wohnformunabhängige Finanzierung für EL-BezügerInnen vorschlägt.

 

Insbesondere begrüsst der Schweizerische Seniorenrat SSR, dass

– die Betreuung eigenständig betrachtet wird,
– eine wohnformunabhängige Lösung vorgeschlagen wird,
– eine angepasste Finanzierungslösung vorgesehen ist.

 

Der Schweizerische Seniorenrat SSR sieht jedoch allgemein noch wesentlichen Ergänzungs- und Konkretisierungsbedarf, der im Wesentlichen die folgenden Punkte betrifft:

 

a) Die vom Bundesrat geprüften Variante 1 mit einer ergänzenden jährlichen EL-Zusatzzahlung soll umgesetzt werden. Sie soll in der Form einespauschalisierten Betreuungsbetrages (allenfalls über Stundenkontingente) eingeführt werden. Mit monatlich im Voraus erfolgenden Zahlungen entfallen aufwändige Abrechnungskontrollen und den Beziehenden wird ein angemessener Spielraum eingeräumt, um die für sie geeigneten individuellen Lösungen zu wählen (vgl. dazu auch die Position der SODK und das Gutachten von Prof. Dr. Landolt für die Paul Schiller Stiftung). Ausserdem besteht dann für die Anspruchsberechtigten keine Unsicherheit, was schliesslich übernommen wird und die Nicht-Bezugsquote wird so tiefer ausfallen.

 

Wichtig ist zudem, dass eine unterschiedliche Festlegung der zu vergütenden Leistungskategorie durch die Kantone so zweckdienlich wie möglich vermieden wird.

 

b) Für eine der ELG-Logik entsprechende Lösung (Finanzierung) sollte der Zuschlag für Miete einer altersgerechten Wohnung über die Mietzinsmaxima geregelt werden, zumal diese Kosten für die ganze Mietdauer anfallen.

 

c) In Bezug auf altersgerechte Wohnformen besteht auch der Bedarf, die Mietzinsmaxima dann anzupassen, wenn diese Wohnungen für ein selbstständiges Leben im Alter mit "Active&Assisted Living (AAL)"-Systeme permanent ausgerüstet sind (z.B. mit Sturzsensoren, Geräte zur Messung von Vitaldaten, Bewegungsmelder, Haushalt-Roboter, Kommunikationsgeräte, Videotelefonie). Dies drängt sich umso mehr auf, als die im Gesetzesentwurf erwähnten, derzeit bestehenden Notrufsysteme der Anbieter wie Spitex oder SRK veraltet sind und bald nicht mehr im Einsatz sein werden.

 

Bei nicht permanenter Ausrüstung der Wohnung (Ein- und Ausbau je nach Bedarf) sollen Miete/Leasing dieser Einrichtungen in den Betreuungskosten je nach Situation berücksichtigt und der jetzt vorgesehene Betrag (Anspruch auf mindestens 13’ 400 CHF) entsprechend erhöht werden.

 

d) Ein bedeutender Aspekt, nämlich die umfassende psycho-soziale Betreuung, ist nach Ansicht des Schweizerischen Seniorenrates SSR in der Gesetzesergänzung zu wenig berücksichtigt. Die darin formulierten Kategorien gefährden die Umsetzung der im Bericht deutlich formulierten sozialen und psychosozialen Komponente der Betreuung. Die Kategorien fokussieren zu stark auf eine reine Hilfe- und Fahrleistung. Aus diesem Grund ist der wichtige psycho-soziale Aspekt ausdrücklich zu berücksichtigen.

 

Zu den einzelnen Artikeln

 

Artikel 10 Abs. 1 Bst. b) Ziff. 4 und Abs. 1 bis :
Der SSR begrüsst die vorgeschlagene Lösung zum Zusatzzimmer für IV- Beziehende.

Zur Berücksichtigung des Zuschlages für eine altersgerechte Wohnung schlägt der Schweizerische Seniorenrat SSR vor, Bst. b) einleitenden wie folgt zu fassen:

b) der Mietzins einer Wohnung gegebenenfalls mit einem Zuschlag für eine altersgerechte Wohnung mit permanenter Einrichtung des «Active&Assisted Living (AAL)»-Systems und die damit zusammenhängenden Nebenkosten;
(fett/kursiv entspricht jeweils neuem Text)

 

Artikel 14a Abs. 1:
Der Schweizerische Seniorenrat SSR befürwortet im Gesetz eine allgemeine Beschreibung der zu vergütenden Betreuungsleistungen, die wie folgt lauten sollte:
… Kantone vergüten (…) mindestens die Kosten für Unterstützung bei der Haushaltsführung, psychosozialen Betreuung zu Hause oder zur Wahrnehmung von Terminen sowie auf Begleitungen ausser Haus zur Erhaltung der Mobilität und zur Prävention von Immobilität, sozialer Isolation und psychischen Krisen.

Die anschliessende Aufzählung der Kriterien entfällt und sollte in der anzupassenden Verordnung über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELV) gemäss der nachfolgenden Mindest-Alternative beispielhaft aufgeführt werden.

Als Mindest-Alternative zum vorstehenden Vorschlag schlägt der Schweizerische Seniorenrat SSR vor, die derzeitige Aufzählung der Kriterien wie folgt zu fassen:

a. ein Notrufsystem oder eine Ausrüstung gemäss dem «Active&Assisted
Living (AAL)»-System;
b. Hilfe im Haushalt;
c. Mahlzeitenangebote;
d. Begleitung zu Gesundheitsfachpersonen und Dienstleistenden, zum Einkaufen, zu Bekannten, an kulturelle Anlässe usw., inkl. Fahrdienste;
e. Teilnahme an handwerklichen und musischen Angeboten sowie Bewegungsangeboten usw., inkl. Fahrdienste;
f. Soziale Aktivitäten, inkl. Fahrdienste;
g. Beratung- und Begleitung zur Anschaffung, Installation und bei der Anwendung digitaler Medien, Infrastrukturen und Kosten für Internet-Anschluss;
h. Beitrag an die Anschaffung eines Hörgerätes bei ärztlich festgestellter Hörschwäche zur besseren Verständigung mit der Umwelt (analog der Anspruchsberechtigung in der IV);
i. Beitrag an Sehhilfen bei ärztlich festgestellter Sehschwäche.
1 bis Eine einmalige Anpassung der Wohnung an die Bedürfnisse des Alters und gegebenenfalls die permanente Ausrüstung mit dem «Active&Assisted Living (AAL)»-System werden einmal getrennt vergütet.

 

Artikel 14 Abs. 3
Der vorgesehene Mindest-Höchstbetrag, insbesondere zur Berücksichtigung der Kriterien unter Art. 14a Abs. 1 Bst. a. und g. ist nach oben anzupassen. Für die Berücksichtigung des neuen Abs. 1 bis ist ein getrennter angemessener Höchstbetrag vorzusehen.

 

Artikel 16 und 21b
Keine Bemerkungen.

 

 

Zusammenfassung

 

 Der Schweizerische Seniorenrat SSR anerkennt die Absicht der Gesetzesvorlage, die Selbstständigkeit von EL-Beziehenden durch die Übernahme der Kosten für Betreuung als soziale Leistung zu fördern und damit auch Heimeintritte mit entsprechenden Kostenfolgen hinauszuzögern.

 

 Der Schweizerische Seniorenrat SSR ist der Auffassung, dass alle Kosten, die mit altersgerechten Wohnformen zusammenhängen, nicht mit Betreuungskosten vermischt werden dürfen, sondern mit spezifischer Erhöhung der Mietzinsmaxima abzugelten ist.

 

 Der Schweizerische Seniorenrat SSR ist zudem der Auffassung, dass mit der in der Vorlage vorgeschlagenen Kategorisierung der zu vergütenden Betreuungsleistungen die psycho-sozialen Bedürfnisse nicht ausreichend berücksichtigt sind und diesbezüglich dringender Verbesserungsbedarf besteht.

 

 Der Schweizerische Seniorenrat SSR vertritt ausserdem die Meinung, dass die vorgesehene Abrechnung von Betreuungskosten über ein System analog zur Abrechnung der Krankheits- und Behinderungskosten der Absicht nicht gerecht wird, Selbstständigkeit und Selbstbestimmung zu fördern, und drängt deshalb auf pauschalisierte Beträge oder Stundenkontingente, die periodisch zugesprochen (und überprüft) werden. Auch in der Abwägung zwischen Nicht-Bezug der Betreuungsleistungen, Verwaltungskosten / Missbrauchsverhütung / eventuell punktuell vermiedenen Kostenübernahmen spricht jedenfalls alles für die Gewährung eines, ggf. nach Bedürfnissen abgestuften pauschalisierten Betrages oder Stundenkontingentes.

 

 Der Schweizerische Seniorenrat SSR plädiert schliesslich dafür, die zu entgeltenden Leistungen zuhanden der Kantone so präzise wie möglich zu definieren.

 

 Für den Schweizerischen Seniorenrat SSR ist klar, dass die Einzelheiten zu den pauschalisierten Beträgen (oder Stundenkontingente) und sowie die Koordination unter den zuständigen Stellen, Beziehenden von Betreuungsleistungen und Leistungserbringenden auf dem Verordnungsweg zu präzisieren sind.

 

 

Schlussbemerkungen

 

Mit dem begrüssten Leistungsausbau im ELG werden jene Personen erreicht, die einen Anspruch auf EL haben. Der Schweizerische Seniorenrat SSR macht jedoch darauf aufmerksam, dass es auch über das ELG hinaus weiterer Anstrengungen bedarf, um das selbstbestimmte Wohnen von betagten Menschen und Menschen mit Behinderungen zu fördern.

 

Die Erfahrung zeigt nämlich, dass zunehmend auch Personen des unteren Mittelstandes mit bescheidenen Einkommen Betreuungs- und Begleitungsbedarfe haben, die sie sich mit ihren geringen finanziellen Mitteln nicht leisten können, aber zum Erhalt der Selbstständigkeit notwendig sind. Es ist somit klar, dass im Hinblick auf ihre Zukunft ohne Eintritt in eine Alters- und Pflegeeinrichtung Mittel und Wege ausserhalb des EL-Systems zu finden, finanzieren und zugänglich zu machen sind, um ihre diesbezüglichen Bedürfnisse zu decken. Gerade auch in Berücksichtigung der rasch voranschreitenden technologischen Entwicklungen, die für Assistenzdienste einerseits, aber auch als Instrumente zur Durchbrechung der Isolation und zur Aufrechterhaltung der Selbständigkeit andererseits grosse Bedeutung haben, ist diese Frage rasch anzugehen und den Beispielen einiger Kantone und Städte zu folgen, die in dieser Hinsicht bereits tätig wurden.

 

Vernehmlassung über die Änderung des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung zur Anerkennung des betreuten Wohnens für Bezügerinnen und Bezüger von EL zur AHV