Vernehmlassung zur Änderung der Verordnung über die Festlegung und die Anpassung von Tarifstrukturen in der Krankenversicherung: Anpassung der Tarifstruktur für physiotherapeutische Leistungen

Der Bundesrat greift erneut in die geltende Tarifstruktur ein. Der Eingriff erfolgt ohne Aktualisierung des veralteten Kostenmodells und ohne den Verband Physioswiss involviert zu haben, um die (vorhandenen) aktuellen Kosten- und Leistungsdaten berücksichtigen zu können.

 

1. Der Bundesrat streicht die pauschale Abgeltung der Behandlungen, um verschieden lange Sitzungsdauern einzuführen. Er entscheidet dies ohne Kenntnis der realen Sitzungsdauern der letzten Jahre.

 

2. In der Variante 2 senkt der Bundesrat den Tarif pro Minute ohne diese Kürzung im erläuternden Bericht zu erwähnen. Er fixiert eine neue Zeiteinheit von «maximal 5 Minuten» (Seite 8 und 9) für die Wechselzeit des Patienten, Begrüssung/Verabschiedung, Vorbereitung der Räume und das Führen des Patientendossiers. Er beschliesst dies, ohne Zahlenmaterial beizuziehen.

 

3. Weiter wird das Setting für die Behandlung von komplexen und aufwändigen Fällen (Seite 10 und Seite 11) geändert, welches 2018 erst neu festgesetzt wurde. Dadurch gefährdet der Bundesrat die Versorgung von besonders vulnerablen Patient:innen und erhöht bewusst den administrativen Aufwand für die physiotherapeutischen Praxen sowie für die Rechnungsabwicklung. Dabei sind gerade solche Arbeiten in Abwesenheit des Patienten die grössten Treiber der Unterfinanzierung.

 

Der Schweizerische Seniorenrat lehnt den Tarifeingriff dezidiert ab, weil er auf keiner Ebene sachgerecht ist. Mit diesem Tarifeingriff werden keine Probleme gelöst, sondern neue verursacht.

 

Nach einer umfassenden Analyse zum Eingriff ist von einer deutlichen Verschlechterung für die Physiotherapeut:innen und die Patient:innen – also nicht von einer «minimalen Anpassung der Tarifstruktur» (Seite 1) gemäss dem Bundesrat – auszugehen. Zudem wird die Krise der Physiotherapie durch den Eingriff verschärft, insbesondere bei der Versorgung von vulnerablen Patient:innen.

 

Fazit

 

Die vorgeschlagenen Änderungen erfolgen – wie der Bundesrat sogar selbst einräumt – nicht datenbasiert und sind damit willkürlich. Insgesamt legt dieser Verordnungsentwurf nahe, dass der Bundesrat der Auffassung ist, dass Physiotherapeut:innen als Player im Gesundheitssystem zu teuer sind und in Zukunft noch weniger Wertschätzung erhalten und sich bestenfalls sogar unbezahlt für ihre Patient:innen einsetzen sollen. Es wird ausserdem dadurch billigend eine Unterversorgung in Kauf genommen, dass Patient:innen operiert oder medikamentös behandelt werden, anstatt in die Physiotherapie zu gehen.

 

Der Schweizerische Seniorenrate kommt deshalb zum Schluss, dass keine der vorgeschlagenen Varianten und Anpassungen zumutbar ist und lehnt die Vorlage komplett ab.

 

Die Vorschläge führen zu einer Kürzung der Vergütung für Physiotherapeut:innen. Die Branche ist jedoch bereits seit Jahren unterfinanziert. Weitere finanzielle Einschränkungen können nicht mehr gestemmt werden. Immer mehr Praxen weichen bereits heute auf Zusatzversicherte, Selbstzahler und in den Fitnessbereich aus anstatt Patient:innen zu behandeln. Viele schliessen ihre Praxis gleich ganz, weil sie die Unterfinanzierung betriebswirtschaftlich definitiv nicht mehr tragen können und nicht mehr länger mit den soeben erwähnten Angeboten quersubventionieren wollen. Viele Physiotherapeut:innen werden aus dem Beruf aussteigen, wodurch sich der Fachkräftemangel weiter zuspitzt. Die Auswirkungen auf die Patient:innen sind verheerend: Die Versorgungsqualität wird schlechter, lange Wartezeiten sind vorprogrammiert und schwer kranke Patient:innen können nicht mehr adäquat behandelt werden. Wir bitten den Bundesrat deshalb eindringlich, die fatalen Konsequenzen für die Physiotherapeut:innen und die Patient:innen zu erkennen und den geplanten Tarifeingriff zu stoppen.

 

Die Tarifpartner:innen müssen eine Revision der Tarifstruktur verhandeln. Unsere Lösung ist, dass der Bundesrat und das BAG dafür sorgen, dass die Krankenversichererverbände ihre obstruktive Haltung überwinden und mit dem gebotenen Zeitdruck am Verhandlungstisch dafür sorgen, dass bereits 2026 eine neue Tarifstruktur für physiotherapeutische Leistungen eingeführt werden kann.

 

Der Schweizerische Seniorenverband findet es sehr wichtig, dass auch in der Zukunft genügend Physiothrapiepraxen vorhanden sind für die Behandlung von vulnerablen Senioren, sodass diese möglichst lange zu Hause blieben können und nicht vorzeitig in ein Alterszentrum eintreten müssen.